N° 51 Gothics on the beach
[…]Doch schon krochen die Selbstzweifel zurück. Wieso eigentlich nicht? Fürs Gothic-Magazin Kolumnen schreiben und nicht im Sarg schlafen – geht das überhaupt? Und dass ich es hier in der Öffentlichkeit gerade zugegeben habe: etwa nicht ein unverzeihlicher Fehler? Ich könnte ja wenigstens schreiben, dass ich in einem Sarg zu nächtigen pflege… Und jetzt, zu allem Überfluss, schossen mir Visionen aus dem letzten Sommer vor’s geistige Auge: wie ich am Strand gelegen hatte, zufrieden „I’m a devil on the beach“ vor mich hinsummend, bevor ich, schon damals, die ersten Schatten über meine Selbstzufriedenheit sich senken gefühlt hatte. Obzwar ich nämlich mit einer trefflichen schwarzen Badehose ausgestattet war, mich, gemeinsam mit einer atemberaubenden neugotischen Frau, auf einem riesigen schwarzen Strandtuch räkelte, bemerkten wir schon damals die nun wiederentdeckten Defizite: die kleineren Handtücher waren dunkelrot und grau; das Sonnenölfläschchen gar von quietschendem Gelborange! Wir tranken Bier aus grünen Dosen – und unsere Laune wurde dadurch in fast unerträglicher Weise, geradezu unbotmäßig und unangemessen gut – ja, wir pfiffen alberne Melodien vor uns hin! All die Dinge, derer wir entbehrten, derer der gemeine Gruftie an sich entbehrt, kamen uns in den Sinn: schwarze Sonnencremes in schwarzen Tiegeln, die über mindestens Sonnenschutzfaktor 64 verfügen, damit der edle bleiche Teint nicht verloren geht; barock-samtene Strandkissen; Windschutzsegel mit edlen Totenkopfstickereien; anstelle von schnödem Bier hätte uns ein dunkles Gebräu zur Hand sein müssen, das wir aus mittelalterlichen Kelchen hätten schlürfen sollen, und dessen Genuss mitnichten das Gemüt aufhellt, sondern es im Gegenteil in düsterste Seelenverhärmung hinabschickt, mit anderen Worten: nichts als uferlose Mentalverfinsterung nach sich zieht!
[…]